Man bemerke zu Anfang: dieser Artikel stammt von einem Schüler. Komischer Typ, der seine Lehrer mag…
Der Job von Lehrern auf einer sogenannten Seminarschule ist es nicht nur, Schüler zu unterrichten, sondern auch angehende Lehrer – die Referendare. Diese bekommen nicht nur Unterricht in Fächern wie Recht- und Sozialkunde oder Psychologie sondern übernehmen auch Klassen – Halbjahresweise…sozusagen…als Praktikum; ein Lehrer soll ja auch Unterrichten können. Da ich so eine Seminarschule besuche, und deswegen viele angehende Lehrer kenne, möchte ich hier ein Paar Eindrücke über das Referendariat kundtun, die ich teils aus Erzählung und teils aus Beobachtung gewonnen habe.
Am schlimmsten sind die Lehrproben. Davon müssen die Refs vier Stück absolvieren, eine im Halbjahr. Hinten im Klassenraum sitzt der Lehrer, der den Referendar betreut, jemand aus der Fachschaft des jeweiligen Unterrichtsfaches und der Schulleiter; diese müssen die Unterrichtsstunde des angehenden Lehrers in den Notenstufen 1-6 beurteilen, wobei mit einer Eins bewertet zu werden so gut wie unmöglich ist. Diese Benotung hat natürlich Auswirkung auf die Einstellungschancen der Referendare, wobei jene heutzutage schwachsinnigerweise eh nur in die Arbeitslosigkeit ausgebildet werden…außer in Mathe.
Die Lehrprobe…
…wird wegen dem meiner – aber nicht nur meiner – Meinung nach unverhältnismäßig großem Aufwand von vielen belächelnd als „Schowstunde“ bezeichnet, und das trifft es auch am besten. Jeder Handgriff, jedes Luftholen, jede Frage muss genauestens geplant – und natürlich niedergeschrieben werden. Der Referendar muss eine „methodisch-didaktische Planung der Unterrichtsstunde“ vorlegen – ein Skript sozusagen, oder ein Drehbuch. Wirklich jedes kleinste Detail soll begründet beschrieben werden, und jede noch so kleine Abweichung wird negativ bemerkt. Darüber hinaus muss er eine pädagogische Analyse der Klassensituation durchführen. Das heißt: Mobbing, Problemschüler und sonstige Besonderheiten in der Gruppe – meiner Meinung nach tatsächlich sinnvoll, um aufs Lehrerdasein vorzubereiten.
Die Harte Realität…
…sieht aber ganz anders aus: Kein Lehrer macht sich zu keinem Zeitpunkt der Karriere mehr die Mühe, seinen Unterricht so penibel vorzubereiten. Wenn wir Schüler auf die Notizen unserer Lehrer schielen, erkennen wir meist handgekrizelte Tafelbilder auf einem Collegeblock, die genau so gut im Zug vor der Arbeit entstanden sein könnten. Und das finde ich in Ordnung. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, positive Ausnahmen. Mit der heutigen Technik ist so viel möglich: Die Schüler auf dem Smartboard Begriffe notieren lassen, welche sich dann im Nachhinein einfärben und verschieben lassen, didaktisch perfekt, aber diese Mittel hat nicht jede Schule. (Bei uns gibt es auch nur ein einziges Smartboard, welches, glaube ich, nur zur Abschreckung dienen soll).
Einen guten Lehrer…
…macht für mich nämlich nicht nur die Methodik des Unterrichts aus, sondern in erster Linie das Talent und vor allem der Wille, seinen Schülern Wissen zu vermitteln. Ich kenne da so einige Referendare, die so guten Unterricht machen, sympatisch und motiviert sind, und es wäre eine Schande, wenn jene in Zukunft keine Schüler mehr Unterrichten könnten, und so viele Jahre ihres Lebens in einer ungerechten Ausbildung verschwendet hätten. Die Maßstäbe an den heutigen Referendaren sind so hoch, ich Frage mich manchmal, wie die jetzigen Lehrer 45+, die echt beschissenen Unterricht machen, es damals geschafft haben (natürlich gibt es nicht nur beschissene Lehrer 45+). Wir sollten tauschen dürfen, Refs zu Lehrern machen und Lehrer, die es nötig haben, wieder in die Ausbildung zurückschicken.
Ich bemängele also…
…nicht die grundsätzliche Verpflichtung für einen Referendar, Lehrproben abhalten zu müssen, sondern ich bemängele deren Bewertungen. Ein etwas weniger pingeliges System würde angehenden Lehrern sicher gut tun. Es würde ihnen helfen, Mut zu fassen, um auch alternative Unterrichtsmethoden zu präsentieren.
Vielleicht wollen Studienräte die jungen Leute aber auch nur davor bewahren, selbst Pädagoge im Gymnasium zu werden; Lehrer haben nämlich immer und überall die Arschkarte…dazu aber ein andermal.
Bildquelle: http://gew-aachen.de/wordpress/wp-content/uploads/2014/10/Referendar-Gehirn_junge-GEW-NRW.png