Die scheinbar unendlich lange Straße, welche wir befahren mussten, bis wir zum Parkplatz gelangten, versetzte uns schon in ehrfürchtiges Schweigen. Das Wetter war „perfekt“. Warum in Anführungszeichen? Der Nebel hing bis hinunter in die Baumwipfel, man konnte fast die eigene Hand vor Augen nicht mehr erkennen. Ein unbeschreibliches Gefühl; ich glaube, mir hätte es beim Verlassen des Reisebusses auch bei 30° im Schatten sämtliche Haare aufgestellt. Man wollte kaum einatmen. Es bot sich ein Bild, als ob die Seelen der unzähligen Menschen von früher über diesem Mahnmal des Schreckens immer noch auf uns herabschauen.
Die Fahrt nach Buchenwald schloss sich an die Fahrt nach Weimar (beschrieben im letzten Blogbeitrag) nach einer Übernachtung in einer Jugendherberge an. Manche Mitschüler wollten den Abend wohl zu vehement ausklingen lassen, dementsprechend tief hingen die Augenringe so mancher.
Den halbstündigen Einführungsfilm um 9 Uhr am Morgen nutzten folglich betroffene Personen für ein kleines Nickerchen. Naja, ein Schülerausflug eben. Vieles aus dem Film wussten wir auch schon aus dem Geschichtsunterricht der neunten Klasse; so kindisch manche auch versuchten, ihre Angst und Betroffenheit von diesem schrecklichen Thema damals mit dummen Witzen zu vertuschen, es blieb doch einiges hängen. Interessant waren deswegen vor allem die Interviews mit Zeitzeugen. Menschen, die Eingesperrt waren, Menschen die zur Arbeit gezwungen wurden, Menschen die Vergewaltigt wurden, Menschen, die alles gerade genannte zugleich ertragen mussten. Einer Berichtete über eine Situation im „kleinen Lager“, er war dort vorbei gekommen weil er „Kartoffeln oder Leichen oder irgendwas“ transportieren musste. Und darauf will ich hinaus. „Kartoffeln oder Leichen oder irgendwas, ich weiß es nicht mehr genau“, so lautete der O-Ton. Nach dem Schriftzug „Jedem das seine“ am Haupttor des Lagers, macht dieses Zitat wohl am besten deutlich, wie Minderwertig jeder einzelne Gefangene in Buchenwald angesehen und behandelt wurde. Wir kommen zu späterem Zeitpunkt noch ein Mal darauf zurück.
Unser Rundgang begann in einem ehemaligen Verwaltungsgebäude, welches jetzt mit Vortragsräumen und Modellen ausgestattet war. Unser Begleiter zeigte uns ein plastisches Modell des Lagers, mit allen damaligen Barracken, Häusern und Fabriken. Es war beeindruckend aber auch erschreckend zugleich, welche Dimensionen menschliche Ausbeutung annehmen kann.
Vor dem Haupttor rechts machten wir halt vor dem Bärenzwinger; ja, es gab, sichtbar durch den Zaun von innerhalb, tatsächlich einen Zoo. „Jedem das seine“, steht auf dem Tor. Gefangene drinnen, Tiere draußen. Doch warum das ganze? Sicherlich nicht nur zur Demütigung der Insassen, sondern auch zur Beherrschung der SS-Beamten.
Man wollte die Situation alltäglich machen, sozusagen allen Zweiflern den Wind aus den Segeln nehmen. Das ist ganz normal, Sonntags gehen wir in den Zoo, und da sind Tiere hinter dem Zaun und Menschen hinter einem anderen; nichts, worüber man zu viele Gedanken verschwenden sollte. Wie das auf die Kinder gewirkt haben muss, mit ihren Eltern einquartiert in einer Luxus-Villa, im elend sterbende Menschen wahrscheinlich in Sichtweite aus dem Fenster des Kinderzimmers.
Ein kleiner Buchtipp am Rande: Der Junge im gestreiften Pyjama von John Boyne; ein neunjähriger Junge, Sohn eines führenden Kommandanten im KZ-Auschwitz, freundet sich voller Unschuld mit einem jungen in einem gestreiften ‚Pyjama‘ an. Die beiden versuchen zusammen zu begreifen, warum sie von einem Zaun getrennt werden.
Was wir vom Krematorium erwarten sollten, wusste Anfangs keiner von uns. Wir dachten nicht an eine solch Menschen verachtende Einrichtung, wie diese es war, wurden aber schon im ersten Raum, der Pathologie, komplett umgestimmt. „Pathologie“ ist eigentlich ein völlig falscher Begriff für einen Raum, der nur für den Missbrauch an Menschen gut war. Ärzte ließen sich hier bezahlen, um die toten ihrer Goldzähne und weiterer Wertvoller Prothesen zu berauben; Schwarzer Organhandel war hier Gang und Gebe.
Durch einen schmalen Gang und zwei Türen hindurch kamen wir in einen kleinen Raum, dort waren Urnen am Boden aufgeschlichtet. Urnen, die man den Familien angehöriger Toten für einen viel zu großen Geldbetrag auf Anfrage zuschickte, gefüllt mit irgendeiner Menschlichen Asche, denn eine Unterscheidung war weder möglich, noch gewollt, von einem große Aschehaufen im Keller des Gebäudes, unter den Öfen, nahm man einfach eine gute Schippe voll.
Es gab zwei Öfen im nächsten Raum, mit jeweils drei…“Schubladen“. Nun ja, ihr wisst wofür die genutzt wurden. Die Verbrennungen führten übrigens Gefangene aus dem Lager durch, ein Job, der sehr begehrt war; Man hatte ein Dach über dem Kopf, es war immer warm, es gab eigene Sanitäre Anlagen. Ich könnte nur den Gedanken nicht ertragen, selbst ein Mal so Menschen verachtend verbrannt zu werden.
Von den Barracken und mehrstöckigen Steinhäusern stand jeweils nur noch ein Gebäude, die weiteren Standorte waren gekennzeichnet mit aufgewühlter Erde. Dort entstand auch das einzige Foto, das ich gemacht habe. Irgendwelche Tötungseinrichtungen zu fotografieren, erschien mir doch zu morbide.
Vor dem Tor steht das wohl wichtigste Mahnmal. Eine Eisenplatte, eingelassen im Boden, auf der die Nationen aller bekannten Insassen des Lagers eingraviert sind. In alphabetischer Reihenfolge versteht sich. An diesem Ort treffen sich tatsächlich in regelmäßigen Abständen Überlebende des Lagers.
Man sieht dieses Denkmal immer, auch bei tiefstem Schnee, denn es ist – und jetzt kommt das, was es zur Kunst werden lässt – ununterbrochen auf die Körpertemperatur eines Menschen beheizt; 37,5° Celsius.
Rechtfertigung ist normalerweise in keinster Weise mein Ding, sollte ich jedoch etwas unklar, nicht ganz eindeutig gegen-rechts dargestellt haben, war dies nicht meine Absicht. Ich hasse Fremdenfeindlichkeit und – was eigentlich außer Frage stehen sollte – Volksverhetzung und Ausbeutung. Sollte mir ein Fehler unterlaufen sein, dessen Folge ein mögliches Missverständnis entgegen meiner menschlichen und politischen Einstellung ist, so macht mich bitte aufmerksam und ich werde Geschriebenes überdenken und abändern. Danke. Die erste und einzige Vorab-Rechtfertigung auf diesem Blog. Versprochen.